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07/19/2021 16:33 published by Alexander (unknown) in Aachen / Aachen / Germany - #2.1.16.10.1.1.-20210719-2379

Klavierabend mit Lise de la Salle im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

LEIDENSCHAFT UND FEUER

Bis jetzt gewann die 1988 in Cherbourg geborene französische Pianistin Lise de la Salle bereits viele wichtige Preise, die sie international berühmt machten (unter anderem war sie Gewinnerin der "Young Concert Artists International Auditions" in New York). Ihr ausserordentliches, leidenschaftliches Klavierspiel begeisterte nun  auch das Publikum im spärlich besetzten Forum am Schlosspark. Zunächst gab sie zu erkennen, wie sehr ihr das spanische Kolorit liegt. Bei "Chants d'Espagne" op. 232 von Isaac Albeniz triumphierten gleich zu Beginn die harmonischen und rhythmischen Finessen, die sich in dynamischer und virtuoser Hinsicht erheblich steigerten. Wirbelnde kontrapunktische Satzkünste und folkloristische Einschübe wechselten sich in atemloser Weise ab. Begeisterungsstürme löste anschließend die kluge, konzentrierte und dennoch hoch emotionale Interpretation von Franz Liszts berühmtem "Mephisto-Walzer" Nr. 1 S 514 aus, wo Lise de la Salle die dämonischen Abgründe in all ihrer ungeheuren Tiefe perfekt auslotete. Schon die Quint-Akzente zu Beginn ließen die Szene erkennen, bei der Mephisto die leeren Saiten der Violine spielte. Auch das A-Dur-Motiv entwickelte sich hier mit immer wilderer, atemloserer Intensität. Und auch die verführerische Sinnlichkeit des Des-Dur-Motivs kam nicht zu kurz. Immer rauschhafter und unmittelbarer erfolgten die Steigerungen, die den Zuhörer ganz unmittelbar mitrissen und regelrecht verführten. Die Arpeggien verwandelten sich in geheimnisvoller Weise. Das Liebespaar blieb im  rhythmischen Tumult immer erkennbar - und die unglaubliche Schluss-Steigerung mit Stretta-Charakter war dann von elektrisierender Wirkungskraft. Grandiose rhythmische Bewegungen offenbarten sich bei "Danzas Argentinas" op. 2 von Alberto Ginastera, wo Lise de la Salle die wechselhaften Stimmungen bestens erfasste. Trotz der herben, knappen und formstrengen harmonischen Entwicklung gelang es ihr hier in ausgezeichneter Weise, die explosive Stimmung einzufangen und auch zu bändigen. So konnten die Klangschwelgereien sehr gut kontrolliert werden. Zum Abschluss interpretierte Lise de la Salle Franz Liszts legendäre Sonate für Klavier h-Moll S 178 mit einem hohen spieltechnischen Reifegrad und bewegender Emphase. Dabei leuchtete sie den formalen Aufbau konsequent aus. Der sinfonische Charakter dieses Sonatensatzes wurde in seiner großartigen Struktur bestens erfasst. Und der erste thematische Komplex in D-Dur berührte aufgrund seiner ergreifenden Intensität, die nie nachließ. Auch das lyrische Seitenthema in D-Dur bestach mit berührender Präzision. Wie kunstvoll beide Themenkomplexe dann in der imponierenden Durchführung verarbeitet werden, machte Lise de la Salle im weiteren Verlauf dieser beglückenden Wiedergabe deutlich. Ein hymnisch-religiöses Akkordmotiv fiel aufgrund seiner ergreifenden Leuchtkraft auf. Das Fugato und die anschließende feurig-atemlose Oktavenstretta geieten schließlich zu einem überwältigenden klanglichen Höhepunkt, der in einer nachhallenden Coda endete. Was bei ihrer bemerkenswerten Interpretation besonders beeindruckte, war der gut herausgearbeitete Kampf einer leidenschaftlichen Seele um Erlösung. Dies zeigte sich vor allem im trotzigen Kampfmotiv des ersten Themas, das in all seiner Heftigkeit grell hervorblitzte. Lise de la Salle beherrschte die hereinbrechenden Klangmassen hier souverän, auch die poetischen Momente hinterließen unvergessliche Eindrücke. Es war ein Klavierspiel, das den Zuhörer zutiefst berührte. Dass Liszts leuchtender Stern nie sinken kann, wurde an diesem besonderen Abend deutlich. Als Zugaben interpretierte sie noch eine traumverlorene Piece von Frederic Chopin und ein fetziges Jazz-Stück von Fats Warrenton.

ALEXANDER WALTHER