Top newsWorld

News in: Deutsche SpracheDeutsche Sprache
10/27/2020 11:17 published by Alexander (unknown) in Aachen / Aachen / Germany - #2.1.16.10.1.1.-20201027-2300

Neue CD: Sinfonieorchester Basel live im Stadtcasino Basel bei Berlin Classics erschienen

EINE BESONDERE RÜCKKEHR 

Nach intensiver Umbauphase feierte das Sinfonieorchester Basel als das Residenzorchester des Stadtcasino Basel im August 2020 die Rückkehr in den nach Plänen des Basler Architekten Jakob Stehlin 1876 vollendeten Musiksaal. Die vorliegende Einspielung ist als Koproduktion mit dem SRF entstanden, der das erste Konzert des Sinfonieorchesters in seinem Stammhaus, dem Stadtcasino Basel, mitgeschnitten hat. Das Programm des Konzerts vom 26. August 2020 stand ganz im Zeichen der Neueröffnung und unter dem Eindruck einer nach dem  Corona-Lockdown sich neu formierenden Musikwelt. Unter der inspirierend-befeuernden Leitung von Ivor Bolton imponiert sogleich die Wiedergabe von Ludwig van Beethovens Ouvertüre zu "Die Weihe des Hauses" C-Dur op. 124 dem Publikum. Sie ist im Jahre 1822 zur Einweihung des Theaters in der Josefstadt geschrieben worden. Ivor Bolton arbeitet mit dem Sinfonieorchester Basel den festlich-repräsentativen Impetus dieses Werkes sowie seine harmonische Weiträumigkeit sehr gut heraus. Das Vorbild Georg Friedrich Händels ist hier von den prunkvollen Fanfaren zu Beginn bis hin zur mitreissenden Schluss-Steigerung hervorragend nachvollziehbar. Die kunstreiche Strenge des Satzbaus kommt immer wieder wirkungsvoll zur Geltung. Vor allem die kontrapunktischen Strukturen werden plastisch nachgezeichnet. Ein ausgezeichneter Höhepunkt des Konzert-Mitschnitts ist ferner die 3. Gymnopedie von Erik Satie in der feinsinnigen Orchestrierung von Claude Debussy. Satie kommt hier als Meister der parallel laufenden Drei- und Vierklänge sehr wohl zu seinem Recht. Die versierte Sopranistin Christina Landshamer ("Artist in Residence") interpretiert mit emotionaler Emphase das Orchesterlied "Morgen" von Richard Strauss, wobei die thematischen Verbindungslinien subtil offengelegt werden. So tragen die Streicher die Sopranistin wie auf einem durchsichtigen harmonischen Orchesterbett. Das romantisch-schwärmerische Gefühl wird dabei jedenfalls überzeugend getroffen. Zum Abschluss interpretiert Ivor Bolton mit dem Sinfonieorchester Basel  bei diesem gelungenen Konzertmitschnitt die Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 "Aus der neuen Welt" von Antonin Dvorak, die der Komponist während seines Aufenthaltes 1893 in Amerika schrieb. Nach einer kurzen, spannungsreichen Adagioeinleitung eröffnet  das naturfrische Hauptthema den an Beethovens Sonatenschema erinnernden ersten Satz "Allegro molto". Dem Vordersatz der Hörner lassen die Klarinetten wie eine böhmische Polka den Nachsatz folgen. Dreimal siegt der Gruß der Heimat mit munteren Fortspinnungen und Umspielungen, dann stimmen Flöten und Oboen das zweite Thema an. Die amerikanische Herkunft dieser Melodie ist zwar nicht zu überhören, aber auch versteckte Anklänge an Schubert machen sich bemerkbar. Slawische Melancholie schwingt mit. Die energischen Töne des dritten Themas erfasst Ivor Bolton mit dem Sinfonieorchester Basel in packender Weise. Durchführung, Reprise und Coda sind hier aus einem Guss. Allerdings muss man festhalten, dass sich die Qualität dieser Dvorak-Interpretation immer mehr steigert. So gehen die leisen Bläserakkorde des zweiten Largo-Satzes durchaus unter die Haut. Der melancholische Ton des Englisch-Horns weist auf den Widerhall des Negro-Spirituals. Robust wirkt dann das mitreissend musizierte Scherzo, wobei das Scherzomotiv in der Coda dem Hauptthema des ersten Satzes das Feld überlässt. Am besten geglückt ist aber die elektrisierende Wiedergabe des Finales, wo Ivor Bolton mit dem Sinfonieorchester Basel das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreisst. Klang und Pathos erinnern sogar an Tschaikowsky. In den Klarinetten klingt sehr zart die böhmische Heimatmelodie als zweites Thema. Und die Durchführung mit den Melodien aller vier Sätze türmt sich zu einem grandiosen Quadrat auf, wobei die helle Freude über die Liebe zur Heimat im wiederkehrenden Hauptthema des ersten Satzes bei dieser Interpretation voll zur Geltung kommt. Trotz mancher akustischer Einschränkungen einer Live-Aufnahme imponiert bei diesem Mitschnitt grundsätzlich das nie nachlassende orchestrale Feuer, das der Dirigent wirkungsvoll entfacht. 

 ALEXANDER WALTHER