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07/10/2019 07:51 published by Alexander (unknown) in Aachen / Aachen / Germany - #2.1.16.10.1.1.-20191007-2149

Bach & Zelenka bei der Internationalen Bach-Akademie in der Stuttgarter Liederhalle

BIS HIN ZUR GREGORIANIK

Im Spannnungsfeld von Religion, Macht und Politik entstanden Johann Sebastian Bachs Trauerode "Lass, Fürstin, lass noch einen Strahl" BWV 198 für die protestantische Kurfürstin Christiane Eberhardine und Jan Dismas Zelenkas Requiem für ihren katholischen Gemahl, August "den Starken", Kurfürst des protestantischen Sachsen und König des katholischen Polen. Er konvertierte 1697 zum Katholizismus. Gottscheds deutschsprachige Ode wurde von Bach für die Totenfeier regelrecht zerlegt. So löste er 3 X 3 Strophen auf und ordnete sie in neue Einheiten zu Chorsätzen, Rezitativen und Arien in zweiteiliger Anlage vor und nach der Trauer-Rede. Der umsichtige Dirigent Hans-Christoph Rademann ließ die Glanzpunkte dieser Partitur zusammen mit der opulent musizierenden und singenden Gaechinger Cantorey und den versierten Gesangssolisten Catalina Bertucci (Sopran), Benno Schachtner (Alt), Benedikt Kristjansson (Tenor) und Nikolay Borchev (Bass) regelrecht aufblühen. Da wurde die Modernität von Bachs Komposition plötzlich allgegenwärtig. Dies zeigte sich nicht nur in der majestätischen Chorfuge, sondern vor allem auch bei den raffiniert imitierten Glocken im Orchester. Unisono- und  Pizzicato-Passagen stachen in wahrhaft brillanter Weise hervor. So war außerdem der feinregistrierte Klagegesang des Eingangschors gut nachvollziehbar. Auch die suggestiv textbezogene Rezitativbegleitung bis zum Schlusschor konnte sich dank der sehr intonationsreinen Gaechinger Cantorey in bester Weise entfalten. Der trostreiche Dreierrhythmus prägte sich hier tief ein. Ganz anders wirkte dann die katholische Komposition - nämlich Jan Dismas Zelenkas Requiem für August den Starken, der im Jahre 1733 starb. Die Eheleute hatten sich schon zuvor auseinandergelebt. August der Starke führte ein ausschweifendes Liebesleben und zeugte viele Kinder. Trompeten, Hörner und Pauken musizieren hier mit Dämpfern, alles wirkte klangfarblich ungemein abgedunkelt, fast sphärenhaft. Selbst die Tonart D-Dur besaß dank Hans-Christoph Rademanns konzentriertem Dirigat sehr mystische und abgeklärte Momente. Das d-Moll setzte sich auch bei dieser Wiedergabe als Haupttonart deutlich durch. Der Glanz von "Sachsens Sonnenkönig" strahlte jedoch immer wieder hell auf. Interessant waren ferner die offensichtlichen Bezüge zur Gregorianik, die wiederholt hindurchschimmerten. Die vier Gesangssolisten agierten auch bei dieser Interpretation ausgesprochen souverän und wurden in den Gesamtklang sensibel eingebettet. Insbesondere die Streicherunisoni konnten sich so sehr überzeugend entfalten. Hans-Christoph Rademann ließ sein Ensemble dabei mit irisierender Leichtigkeit und Lebendigkeit musizieren. Energie und Selbstbewusstsein dieser beiden Komponisten imponierten ebenso wie das reiche Figurenwerk und die nie nachlassende Inspirationskraft. Die prunktvolle Vielstimmigkeit besaß gerade bei Zelenka einen erstaunlichen Farbenglanz.

ALEXANDER WALTHER