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15/05/2019 07:07 published by Alexander (unknown) in Aachen / Aachen / Germany - #2.1.16.10.1.1.-20190515-2085

Zweite Symphonie von Gustav Mahler mit der Musikhochschule in der Liederhalle Stuttgart

EIN KLINGENDES ERLEBNIS

Für den abschließenden fünften Satz benutzte Gustav Mahler in seiner 1894 beendeten zweiten Symphonie den Hymnus "Auferstehn" von Klopstock. So wurde dieses Werk als "Auferstehungssymphonie" bekannt. Beethovens Vorbild bleibt hier immer spürbar. Das erste Thema des Kopfsatzes wurde beim Antrittskonzert von Prof. Rasmus Baumann aus kraftvollen Anläufen im Bass herausgeschleudert. Das Sinfonieorchester der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart interpretierte dieses Tonsymbol des Helden mit berührender Intensität. Interessant war, wie sich dieses Motiv zum Themenkomplex ausweitete und feierliche Bläserklänge heraufbeschwor. Der zweite Themenkomplex gipfelte hier in einer träumerischen Klarinettenweise, wobei sich alles in breiter klanglicher Schönheit entwickelte. Und die Kräfte des ersten Themas gewannen wieder die Oberhand - eine Entscheidung war unausweichlich. Das wild losfahrende Kopfthema ließ auch die schöne Vision der Verklärungsmelodie der Streicher gewähren. Zuletzt erschien die Coda machtvoll mit allerlei Themenabwandlungen. Als friedliches Naturidyll kam dann das Andante moderato daher, wobei Rasmus Baumann die Biedermeier-Gemütlichkeit nicht störend betonte. Kontrapunktische Spitzfindigkeiten blitzten reizvoll hervor. Als scherzoartiges Rondo kreiste der dritte Satz um ein Lied Mahlers aus "Des Knaben Wunderhorn" mit dem Titel "Des Antonius von Padua Fischpredigt". Das Orchester arbeitete den bissigen Humor der Partitur durchaus präzis und leuchtkräftig heraus. Grelle Klänge bemächtigten sich hier freundlicher Melodien im Zerrspiegel grotesker Parodie. Die Siegesfanfaren des Trioteils wirkten ausgesprochen imponierend. Im warmen Dunkel ihrer Mezzosopran-Stimme überzeugte Aline Quentin bei "O Röschen rot!" Der Gottsucher wanderte hier nicht mehr im Ausweglosen. Grandios wirkte bei dieser gelungenen Wiedergabe vor allem das Finale mit der berührenden Vision des Jüngsten Gerichts. Der Aufschrei aus dem dritten Satz machte sich in fataler Weise bemerkbar - und Baumann steigerte auch in elektrisierender Weise das Tempo. Ausgezeichnet wurde die mystisch verklärte Sphäre getroffen, die von Glockenklang und der Verheißung von Hornmelodien erfüllt war. Das schöne Bild verdämmerte ergreifend - und gespenstische Hornrufe mahnten zum Jüngsten Gericht. Das "Dies irae"-Motiv aus dem ersten Satz besaß ungeheure Kraft und Klarheit, wobei die drohende Mahnung der Hornrufe im Hintergrund nicht verstummte.  Ein Suchen und Drängen steigerte sich bei dieser Wiedergabe in energischer und atemloser Art, das "Dies irae"-Motiv reckte sich  drohend empor. Die Kolonnen der Toten zogen jetzt unheimlich vorüber. Drohende Bläserrufe verbreiteten Angst und Entsetzen. Das Hochschulorchester musizierte hier immer mit Herzblut und großer Konzentration. Dann erfüllten Verklärungsklänge den Saal. Malgorzata Roclawska (Sopran) gestaltete zusammen mit der Mezzosopranistin Aline Quentin die Passage "O Schmerz!  Du Alldurchdringer!" mit geradezu ekstatischer innerer Bewegungskraft. So kam es zu hymnischen Steigerungen. Die Appellrufe der Trompeten enthüllten heilige Geheimnisse. Der von Denis Rouger sorgfältig einstudierte Chor der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart interpretierte den Chor "Auferstehn, ja auferstehn wirst du, mein Staub nach kurzer Ruh" wie einen mysteriösen Geistergesang. Zwischen Choral und Volkslied schwankte die Melodie hier immer wieder hin und her, das Verklärungsthema meldete sich geheimnisvoll aus dem ersten Satz. Die Musik entfaltete eine gewaltige dynamische Steigerung, schwoll unaufhaltsam an, Orgel- und Glockenton entfachten enthusiastische Begeisterung. So gab es zuletzt einhelligen Jubel für diese stark bewegende Interpretation.   

ALEXANDER WALTHER