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04/21/2019 08:35 published by Alexander (unknown) in Aachen / Aachen / Germany - #2.1.16.10.1.1.-20190421-2072

Giuseppe Verdis "Messa da Requiem" mit Riccardo Muti im Festspielhaus Baden-Baden

WUCHT DER DRAMATISCHEN VISION 

Man hat Giuseppe Verdis "Requiem" als eine Oper auf den Stufen des Alters bezeichnet. Nach der Oper "Aida" widmete sie Verdi dem von ihm verehrten Dichter Alessando Manzoni, der im Jahre 1874 verstarb. Riccardo Muti entfesselte zusammen mit den Berliner Philharmonikern, dem Chor des Bayerischen Rundfunks (Einstudierung: Howard Arman) sowie den sehr überzeugenden Gesangssolisten Vittoria Yeo (Sopran), Elina Garanca (Mezzosopran), Francesco Meli (Tenor) und Ildar Abdrazakov (Bass) eine zwingende Bildkraft der Melodien mit typisch italienischer Verve und Grandezza. Aber auch die mystisch-transzendentalen Regionen kamen hier keineswegs zu kurz und hinterließen einen tiefen Eindruck. In leiser  Wehmut begann das "Requiem" mit stockendem Flüstern und dem flehenden Blick nach oben beim "et lux perpetua". Sehr gefasst schob sich das Fugato "Te decet hymnus" hervor, das zum "Kyrie eleison" überleitete. Zuversicht und Ekstase zugleich erfüllte die Melodie des Soloquartetts. Da jagte das "Dies irae" wie eine apokalyptische Vision vorüber, haltlos erklang die Chormelodie. Nur langsam beruhigte sich der ungeheure Aufruhr der Elemente, die Riccardo Muti mit dem konzentriert agierenden Ensemble aber sehr wirkungsvoll bannte. Wie gelähmt stürzte alles nieder in Erwartung des allerhöchsten Richters. Auch der Trompetenton des "Tuba mirum" besaß eine drohend-unerbittliche Wirkungskraft. Starr und unheimlich begleitete der Mezzosopran von Elina Garanca bei "Liber scriptus proferetur" diese Gerichtsszene, wobei der überaus kompakt agierende Chor die Erinnerung an das "Dies irae" in suggestiver Weise wachrief. Zerknirscht ertönte die Frage "Quid sum miser tunc dicturus" in den Solostimmen ohne Bass. Fast sphärenhaft folgte dann die Melodie des "Salva me". Als ergreifendes Duett zwischen Sopran und Mezzosopran erschien der Bittgesang des reuigen  Sünders  "Recordare, Jesu pie". Hier wurde die Jenseits-Vision eines Entrückten in feinen dynamischen Abstufungen beschworen. Riccardo Muti arbeitete mit den Berliner Philharmonikern viele orchestrale Details sehr präzis heraus. Dies galt auch für die geradezu träumerisch-ekstatische Melodie bei "Qui Mariam absolvisti". Ildar Abdrazakov als sonorer Bass trug daraufhin im "Oro supplex" eindrucksvoll eine angstvolle Bitte um Gande und Erlösung vor. Noch einmal brachen die Schrecken des "Dies irae" mit voller Gewalt los -  dann verhallte alles im bewegenden Klagegesang "Lacrimosa dies illa". Das "Domine Jesu" wendete sich bei dieser intensiven Wiedergabe sehr deutlich an den Fürsprecher Christus. Versöhnlich erschien die Heilsgestalt in den Melodien des Solistenquartetts. Das "Hostias" war von unterirdischer Weihe erüllt. Ein weiterer Höhepunkt dieser Aufführung war das "Sanctus", das als majestätisch-prunkende Fuge des Doppelchors erschien. Und beim "Agnus Dei" konnten sich Vittoria Yeo und Elina Garanca beim ungegleiteten Duett zwischen Sopran und Mezzosopran mit betörend-überirdischen Kantilenen entfalten. Ein berührendes Soloterzett von Mezzosopran, Tenor und Bass war ferner das flehende "Lux aeterna". Ein Lichtschein der Verklärung glänzte hier in facettenreichen dynamischen Abstufungen auf. Die Bitte des "Libera me" wurde dann von Vittoria Yeo im Solosopran sehr klangschön vorgetragen, wobei die verzweifelte Angst beim Gedanken an das Weltbeben des Jüngsten Gerichts voll aufblitzte. Immer quälender wurden hier Angst und Furcht, wobei es Riccardo Muti mit dem Ensemble in ausgezeichneter Weise gelang, die Durchsichgtigkeit des Klangbilds neben eruptive Ausbrüche zu stellen. Sopran und Chor intrepretierten die tröstende Verheißung mit wunderbarer Ruhe beim "Requem aeternam". Wie eine schöne Vision erlosch die Psalmodie des "Libera me". Zuversicht und Kraft besaß die folgende Chorfuge. So gab es zuletzt begeisterten Schlussapplaus und "Bravo"-Rufe für diese ergreifende Wiedergabe im Festspielhaus.

ALEXANDER WALTHER