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11/11/2018 15:10 published by Alexander (unknown) in Aachen / Ahen / Njemačka - #2.1.16.10.1.1.-20181111-1983

2. Sinfoniekonzert: Staatsorchester Stuttgart im Beethovensaal der Liederhalle Stuttgart

IM BANNKREIS VON WAGNER UND TSCHAKOWSKI

Der passionierte Skifahrer Mieczislaw Karlowicz wurde 1906 durch seinen frühen Tod auf der Skipiste aus dem Leben gerissen. Leider ist seine Musik außerhalb Polens kaum bekannt geworden. Umso verdienstvoll ist die Aufführung der sinfonischen Dichtung "Lied der ewigen Sehnsucht" op. 10  Nr. 1 ("Ewige Lieder"), wo das Staatsorchester Stuttgart unter der inspirierenden Leitung von Vladimir Fedoseyev die spätromantischen Impulse dieser Musik ausdrucksvoll betonte. Der Einfluss von Wagner und Tschaikowski war hier unschwer auszumachen. Insbesondere die reichen thematischen Zusammenhänge gingen nicht unter. In der Liebe sah Karlowicz übrigens keine Hoffnung, Befreiung und Erlösung brachte für ihn nur der Tod. Das erste Thema des ersten Satzes wurde kraftvoll betont, vor allem der sehsuchtsvolle Charakter der Partitur wurde facettenreich herausgearbeitet. Die beiden weiteren Themen "Thema der Ewigkeit" und "Thema des Todes" erfuhren dank der tiefgründigen Interpretation von Vladimir Fedoseyev eine mitreissende Gestaltung. Dies galt nicht nur für die hohen Register der Violinen, sondern auch für die kompakten Bläsergruppen. Der fulminante Bass Adam Palka interpretierte dann höchst eindringlich die "Lieder und Tänze des Todes" für Bass und Orchester (1875/77) von Modest Mussorgski in der nuancenreichen Bearbeitung von Dmitri Schostakowitsch. Ein Kind, eine junge Frau, ein Bauer und eine ganze Kompanie Soldaten werden in diesem Liederzyklus vom Tod heimgesucht. Adam Palka war in der Lage, die gesangliche Linie von der naiven Kinderweise bis zu wildester Leidenschaft in bewegender Weise zu führen. Die Farben der Orchesterpalette kamen beim "Wiegenlied", bei der "Serenade", beim turbulenten "Trepak" und beim "Heerführer" voll zur Geltung. Den ängstlichen Ausrufen der Mutter setzte im "Wiegenlied" der Tod eine schlichte Melodie entgegen. Im dritten Stück "Trepak" fesselten die zahlreichen dynamischen Kontraste. Mitten im Schneewirbel gestaltete ein alter Bauer einen wilden Kosakentanz. Mit gespenstischen leeren Quinten endete alles. Und der pochende Rhythmus der Serenade prägte sich tief ein. Vladimir Fedoseyev unterstrich als Dirigent hier insbesondere die Details. Mit betont breiten Tempi wartete er bei Peter Tschaikowskis Sinfonie Nr. 6 "Pathetique" in h-Moll op. 74 aus dem Jahre 1893 auf. Diese erschütternde Musik kam bei dieser hervorragenden Interpretation besonders ehrlich daher. Düster und suchend begann der von leidenschaftlichem Gefühl geprägte erste Satz mit einer Klage des Fagotts, aus der sich das erregt-drängende erste Thema des Allegro non troppo konsequent entwickelte. Die Zerrissenheit Tschaikowskis und das seltsam Gequälte und hysterisch Aufbegehrende betonte Fedoseyev mit dem Staatsorchester Stuttgart ausgesprochen glaubwürdig. Trost und Qual zugleich beherrschten den oft aufblühenden Gesang, der sich mächtig steigerte. Er entschwebte schließlich wie ein schönes Traumbild. Das erste Thema setzte sich dann bei der Durchführung beherrschend durch. Nach pathetischen Aufschwüngen stürzte der Held in die Entsagung. Im gedämpften Stimmengewirr des Salons suchte der Protagonist daraufhin im zweiten Satz das Vergessen. Der schwungvolle Fünfer-Rhythmus dieses Satzes konnte sich bestens entfalten. Auch die leise Wehmut des Mittelsatzes kam nicht zu kurz. Das elektrisierende Marschthema des dritten Satzes blühte in der Oboe erfrischend auf. Alle Widerstände wurden hier plötzlich überwunden. Der ergreifende Klagegesang eines vom Tode Gezeichneten beherrschte das Finale, das bei dieser transparenten Wiedergabe zum Rückblick und Abschied geriet. Symbolische Beziehungen zum ersten Satz ließen sich nicht verleugnen. Energie zwang die Melodien im ersten Satz nach oben, obwohl bei diesem Werk die Motive meistens fallen. Im Schluss-Adagio nun sanken die Tonfolgen der beiden Hauptthemen ins Bodenlose. Es herrschten Entsagungsschmerz und Verzweiflung. Jubel und große Begeisterung erntete diese akustisch weiträumige Interpretation im Beethovensaal.

ALEXANDER WALTHER