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08/17/2018 18:18 published by Alexander (unknown) in Aachen / Aachen / Germany - #2.1.16.10.1.1.-20180817-1942

Verteidigungsrede des großen Richard

Imaginärer Monolog Richard Wagners - allerdings nicht als Grabrede und nicht als "Toter". Eine starke Überarbeitung des Textes "Grabrede des großen Richard" ist erforderlich, den ich 1986 verfasste. Viele Passagen sind nicht gelungen und müssen gestrichen werden. Allerdings möchte ich die Passagen über den Untergang Venedigs so belassen, sie sind als Theatermonolog brauchbar. Es muss deutlich werden, dass der Text keine Verurteilung von und keine Kritik an Wagner darstellt, sondern wirklich eine Art "Verteidigung" ist. Er wehrt sich natürlich auch gegen den Vorwurf des Dilettantismus. Zum 19. Jahrhundert muss ein starker Bezug hergestellt werden (also Hitler weglassen). Das Judenproblem ignorieren (bei Wagner brandgefährlich):

Ich bin Gewitter und Sturm schutzlos ausgesetzt. Dort hinter den Zweigen teilt sich der Himmel. Ich sehe voller Schmerzen den Vollmond. Dann einen Mann und eine Frau. Die beiden gehen langsam aufeinander zu. Tristan und Isolde? Der Junge küsst das Mädchen voller Verlangen - ja, es sind fast noch Kinder. Ich bin zutiefst erschüttert. Man kann ihre leuchtenden Augen selbst in tiefster Nacht noch sehen. Meine Seele erbebt - es ist das innigste Nichtvoneinanderlassenkönnen. Meine Seele leidet unter Ruhlosigkeit, Schlaf kann ich nicht finden. Ich weiß mir nicht anders zu helfen als pausenlos zu denken. Viva Venezia - Venedig, du darfst nicht sterben! Die Dummköpfe sagen, dass du bald sterben wirst. Mein schlafloses Venedig, erweise mir die letzte Ehre. Alles, was bisher über mich veröffentlicht wurde, entspricht nicht der Wahrheit. Es wurde viel gelogen, beschönigt, falsch dargestellt. Meine Beziehungen zu Frauen waren Anlass zu geradezu haarsträubenden Spekulationen. Über meine Werke hat man hauptsächlich Schund geschrieben. Und auf der Bühne hat man sie boshaft verstümmelt! Ich selbst wurde als Giftzwerg, Schürzenjäger, Ausbeuter, Größenwahnsinniger und Antisemit bezeichnet. Nietzsche spottete über mein Bekenntnis zum Christentum, owohl ich im Grunde genommen immer nur vom Christentum als der einzigen Lebenswahrheit überzeugt war. Das Kunstwerk ist die Inkarnation des Christlichen, daran gibt es doch gar keinen Zweifel. Das Kunstwerk überdauert das Leben und führt in die Ewigkeit. Nichts anderes lässt sich vom Christentum sagen. "Parsifal" ist mein wichtigstes Werk, eine Liebeserklärung an die Menschheit. Die Auseinandersetzungen, die ich mit Nietzsche über den "Parsifal" geführt habe, sind doch größtenteils gar nicht protokolliert.Überhauot war mein Verhältnis zu Nietzsche das problematischste, das ich je zu einem Menschen hatte. Nietzsche war eine vpllkommen unglückliche Persönlichkeit. Der Grund seines Unglücklichseins - eine nicht ausgereifte künstlerische Begabung. Er hat nur Stümperhaftes komponiert. Auf der anderen Seite hatte er ein hysterisches Verhältnis zu Frauen. Zu einer normalen Liebesbeziehung war dieser Mensch nicht fähig. Lou von Salome ist nur ein Beispiel. Seine Spätwerke sind Zeugnisse der Geisteskrankheit. Auch der "Zarathustra" ist hypersensibles Geblöke. Sein Verhältnis zu mir kann man nur als lachhaft bezeichnen. Nietzsche redete ja ständig wirres Zeug, und im Grunde genommen wollte er mich ständig übertrumpfen.Ausgerechnet mich. Ein schwitzender Schwätzer. Auf jeden Fall lässt sich der Ausbruch seiner Geisteskrankheit mit seinem neurotischen Verhältnis zu Frauen erklären. Der "Fall Wagner" ist kein Fall Wagner, sondern ein Fall Nietzsche. Ein bodenloser Fall in den Abgrund.

Ich höre sie wieder, die Stehkragentenöre, die mir "Siegfried" und "Götterdämmerung" zuschanden machen. Jeder falsche Ton bohrt sich in meine armen Ohren. Entsetzlich, wie kann man das "Hoiho hoihe!" aus dem dritten Akt der "Götterdämmerung" so in Grund und Boden trompeten! Pfuscherei übelster Sorte, Operettenverschnitt. Ein Königreich für einen Tenor! Ein Königreich für den Tenor meines Lebens! Monsieur Offenbach lässt fiedeln. Ein Metronom, ein Metronom! Oh, könnt ich den Takt schlagen. Wo ist mein Stock? Eins, zwei, drei, eins-zwei-und-drei, das ist kein Takt, das ist ein Gehumple, Geschleife, Gekeuche, Geächze...Scheußliche Verfehlung. Und das Orchester! Ein Brei linker Systemveränderung, durch marxistische Lumpenhunde bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Mein Lebenswerk, mein Herzblut in den Spinnenhänden dieser elenden Nichtskönner verschleudert! Welche Qual, diese gigantischen Stümpereien ertragen zu müssen! Applaus? Sie applaudieren. Wenn ich mir überlege, wie sie meinen armen Hund Russ leiden ließen, überwältigt mich ein Schauder. Diese Ignoranten kamen gar nicht auf die Idee, dass das Tier musikalisch ist. Hunde haben meine Werke wohl besser verstanden als diese Leute. Ich bin auch immer wieder mit ihnen in die "Nibelungenkanzlei" gegangen, um die Faulenzer aufzuscheuchen. Da hinten stehen Leute, die sich krächzend unterhalten. Es müssen Musikkritiker sein. Sie sehen aus wie Schafsköpfe und Ziegen. Ich bin sprachlos. Ja, ich halte meine eigene Rechtfertigungsrede. Muss ich mich wegen der Komposition des "Parsifal" entschuldigen? Nietzsche versetzte sich doch selbst den Todesstoß, indem er sich von mir trennte. Dies ungewisse "Bimbambaumeln" hatte sehr wohl einen Sinn in meinen letzten Lebensjahren. Dies "Nonnen-Äugeln" und "Ave-Glocken-Bimmeln" - welch üble Anspielung auf Cosimas Gefühle mir gegenüber, Nietzsche! Es gibt kein Zurück mehr. Am Horizont flammt eine gewaltige Feuersbrunst auf. Ich steige in den Nachen, meine Füße schmerzen. Wir sinken ins Meer hinab, es geht hinauf, hinunter, die Ouvertüre wird nach wenigen Takten enden, das feurige, kochendheiße Wasser schlägt über mir zusammen, ich rufe vergeblich, niemand will mich hören, die Menschheit ist taub und hat kein Ohr für meine Qualen, Melodien dringen an mein Ohr, es sind Melodien, die nie komponiert wurden, nicht ausgeführte Pläne, die mich in Schwermut stürzen, Schuldgefühle belästigen mich, die Fahrt nimmt mit rasender Geschwindigkeit ihren Fortgang, meine eigene Musik dröhnt um mich her, Walhalls Götter sind nicht unsterblich, die gewaltige Feuersbrunst kommt näher und näher, ich rufe die Kunst an, sie allein kann mich retten, wo bist du KUNST, die Kunst kann mich nicht retten, das kann nur die Liebe, wo bist du, LIEBE...Da gibt es plötzlich einen Streifen am Horizont. Es sind die ersten Anzeichen meiner Himmelfahrt, deren Aura mich bereits umfängt. Plötzlich rieche ich wieder den stinkenden Atem von Schriftstellern und Musikkritikern, die mich als einen Dilettanten bezeichnen. Darüber rege ich mich am meisten auf, es ist eine unglaubliche Unverschämtheit. Natürlich hat Nietzsche damit etwas zu tun. Für meine Frau war der Umgang mit Nietzsche mehr als ungesund, ich sehe nicht ein, warum ich mich bei Nietzsche im nachhinein entschuldigen sollte. Ich erlebe in größter Verzweiflung den letzten Sonnenuntergang Veendigs. Die Erde bebt immer heftiger, ungeheures Donnern erschüttert das Fundament. Ein riesiger Planet steht am rotumwölkten Himmel. Ich reiße die Augen auf, der Planet scheint immer näher zu kommen - auch die Sonne scheint nun wieder stärker. 

 

A. Walther