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05/28/2017 22:13 published by Alexander (unknown) in Aachen / Aachen / Germany - #2.1.16.10.1.1.-20170528-1732

SWR Vokalensemble in der katholischen Domkirche St. Eberhard in Stuttgart

MIT EMOTION UND EMPHASE

Unter der einfühlsamen Leitung von Marcus Creed interpretierte das SWR Vokalensemble zunächst die Motetten "Locus iste", "Christus factus est", "Virga Jesse", "Os Justi" und  "Ave Maria" von Anton Bruckner. Intervallspannungen und feine melodische Bögen wurden hier sensibel herausgearbeitet. Auch die Crescendo-Steigerungen ließen an Eindringlichkeit nichts zu wünschen übrig. Eine Coda-Entwicklung bei "Locus iste" unterstrich den klangfarbenreichen Interpretationsansatz des SWR Vokalensembles. Chromatische Präzision stach zudem bei "Christus factus est" hervor, wechselnde Einsätze der hohen Frauen- und tiefen Männerstimmen beherrschten dann bei "Virga Jesse" in dynamisch bewegender Weise das harmonische Geschehen. Ein gesanglicher Wandel von Weite, Höhe und Dichte beeindruckte die Zuhörer zudem bei "Ave Maria", dessen effektvolle Steigerungen sehr schön betont wurden. Die beiden Psalmen 67 "God be merciful unto us" und 24 "The earth is the Lord's" von Charles Ives überzeugten in der Wiedergabe durch das SWR Vokalensemble mit alternierenden Themen und einer ausgereiften Dur-Moll-Tonalität. Große Intervallsprünge und ungeahnte Dissonanzen bis hin zur Bitonalität und dem Dissonant-Schwebenden fesselten auch hier die gebannten Zuhörer. Rhythmus und Tempo gerieten in eine gute Balance, die nicht nachließ. Bei Psalm 67 traten die drei Frauenstimmen in C-Dur und die Tenor- und Bassstimmen in g-Moll in markanter Weise hervor. Viele harmonische Kühnheiten wurden hier stimmungsvoll betont. "Rothko Chapel" von Morton Feldman schließlich verblüffte in der Fassung für Sopran (Eva Maria Schappe), Alt (Sabine Czinczel), Viola (Andra Darzins), Celesta (Markus Stange) und Schlagzeug (Markus Maier) mit einem vibrierenden Ostinato-Rhythmus und einer genauen Untersuchung von Klang und Stille. Beschrieben wird eine geheimnisvolle Kapelle im texanischen Houston. An den Wänden hängen 14 Bildtafeln, die im wechselnden Licht ihre Farben ändern. Diese visuellen Eindrücke wurden vom SWR Vokalensemble unter der Leitung von Marcus Creed musikalisch genau beschrieben. Karge Melodik und konsequente Gestaltlosigkeit der Klangbilder wechselten sich hier ab. Zwischen eindrucksvollen Momenten der Stille wurden besondere Übergänge zwischen Klang und Raum geschaffen. Akkordflächen wechselten plötzlich die Harmonik, Paukenwirbel begleiteten den sphärenhaften Chorklang höchst emotional und feinnervig. Die Reduzierung der musikalischen Syntax auf einfachste Konstruktionen beherrschten Struktur und Form. Eine gewisse Nähe zur seriellen Technik war hier unüberhörbar. Die Aufteilung des Chores in zwei alternierende Gruppen wurde zusätzlich zum Klangereignis. Als Zugabe war noch ein Stück von Arvo Pärt zu hören. 

ALEXANDER WALTHER