Top newsWorld

News in: Deutsche SpracheDeutsche Sprache
02/06/2017 07:36 published by Alexander (unknown) in Aachen / Aachen / Germany - #2.1.16.10.1.1.-20170206-1679

Akademiekonzert IV der Bachakademie "Zwei Herzensfeinde - Brahms und Bruckner" in der Stuttgarter Liederhalle

BESINNLICH UND BOMBASTISCH

Akademiekonzert IV der Bachakademie "Zwei Herzensfeinde - Brahms und Bruckner" im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART Brahms und Bruckner mochten sich nicht. Umso verdienstvoller ist es von Hans-Christoph Rademann (dem künstlerischen Leiter der Bachakademie), beide Künstler aufs Programm zu setzen. Als Johannes Brahms im Jahre 1879 nach Cambridge auch von der Universität Breslau die Ehrendoktorwürde verliehen bekam, dankte er 1881 mit der Partitur der "Akademischen Festouvertüre" opus 80, die ein reizvolles Potpourri über vier Studentenlieder ist. Die Deutsche Radio Philharmonie arbeitete den thematischen Reichtum dieses Werkes präzis heraus. Fast besinnlich geheimnisvoll hob die Musik hier an, führte nacheinander in einer fulminanten dynamischen Steigerung die bekannten Weisen zu einem akustischen Höhepunkt. Alles gipfelte in dem festlich triumphalen "Gaudeamus igitur". Bei der Rhapsodie für Alt, Männerchor und Orchester op. 53 von Brahms zeigte Anke Vondung ein weiches und ebenmäßiges Timbre. Auch die Gaechinger Cantorey beeindruckte mit klanglicher Durchsichtigkeit und harmonischer Finesse. Brahms schrieb die knappe Partitur im Jahre 1868 auf ein Fragment aus Goethes Gedicht "Harzreise im Winter". Im ersten der drei Teile malte das Orchester in wahrhaft düsteren Klängen die Einsamkeit dessen, "der sich Menschenhass aus der Fülle der Liebe trank", wie die Altistin Anke Vondung deutlich betonte. Es folgte die leidenschaftlich-flehend dargebotene Klage "Ach, wer heilet die Schmerzen". Das düstere Drängen und Fragen drang markant hervor. Herb und mild zugleich betonte Hans-Christoph Rademann als Dirigent das plastische Klangbild. Wundervoll ruhig wirkte dann der Teil "Ist auf deinem Psalter". Hier schwebte die Alt-Stimme wie sanft entrückt über dem Chor. Getragen von der friedlichen Harmonie des Orchesters behauptete sich eine innig-schlichte Melodie. In der reifen Komposition "Nänie" op. 82 für Chor und Orchester von Johannes Brahms begegnet man der Stiefmutter Feuerbachs in der mythologischen Gestalt der Thetis, die gemeinsam mit ihren 49 Schwestern den Tod des Achilles beklagt. Die emotionale Kraft dieses Klagegesangs erreichte bei dieser Wiedergabe eine erstaunliche Intensität und Farbigkeit. In mehrmaligem leidenschaftlichem Ansturm wurde die dramatische Durchführung erreicht. Auffallend war dabei die von Rademann und dem Orchester forcierte pathetische Verbreiterung der Themen, denen der klangschöne Chor wirkungsvoll folgte. Als Höhepunkt dieses Konzertabends erklang zuletzt das Te Deum in C-Dur von Anton Bruckner, wo insbesondere die Gesangssolisten Johanna Winkel (Sopran), Anke Vondung (Alt), Corby Welch (Tenor) und Wilhelm Schwinghammer (Bass) stark aus sich herausgingen und mit Chor und Orchester eine glückliche Verbindung eingingen. Hans-Christoph Rademann achtete hier auf ein ausgesprochen schlankes und klares Klangbild. Bruckner widmete dieses "Te Deum" übrigens wie seine neunte Sinfonie "dem lieben Gott". Die eröffnende Streicherfigur mit dem Oktavsturz barg bei dieser Interpretation ungeheure Energien. Trompeten und Posaunen begleiteten den Chor-Beginn "Te deum laudamus" glanzvoll und majestätisch. Eherne Einstimmigkeit stach wiederholt hervor, das lichte Solistenterzett mit den Worten "tibi omnes angeli proclamant" behauptete sich in bewegender Weise. Bis zum "Sanctus" steigerte sich die Stimmung erheblich. Das energische Anfangsthema übernahm wieder die Herrschaft am Beginn der Reprise bei "per singulos dies benedicimus te". Und der Lobpreis "Pleni sunt coeli" wurde von mystischen Episoden in reizvoller Weise unterbrochen. Einsam-entrückt wirkte dann das angstvolle Gebet, das der Solotenor mit Intensität bei "Te ergo quaesumus" anstimmte. Die verklärte Begleitung des sphärenhaft wirkenden Orchesters prägte sich tief ein. In erhabenem Triumph hob der Chor bei "Aeterna fac" an. Das energische Anfangsthema behauptete sich unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann immer deutlicher und imposanter. Mit "In te, domine, speravi" begrüßte das grandios gestaltete Finale seine Zuhörer, wo eine Fuge deutlich erkennbar war. Man fühlte sich nicht nur bei der Passage "Non confundar in aeternum" an melodische und harmonische Linien vieler Choralthemen in den Sinfonien erinnert. 

ALEXANDER WALTHER